Die Zaunstreicher sind zurückgekehrt

Nach zweiwöchigem Aufenthalt sind die letzten jungen Leute gestern von ihrer Zaunstreichaktion aus St. Petersburg zurückgekehrt. Hier kommt ihr Erfahrungsbericht:

Ein Zaun wie kein anderer! – Zaunstreicher.innen am Werk

St. Petersburg, August 2018

„Zwei Wochen Sankt Petersburg: Vormittags Zaunstreichen, nachmittags Freizeit!“ Diese verheißungsvollen Worte Ottmars versprachen eine spannende Zeit in Russland. Angetrieben von Neugier und Abenteuerlust, fanden sich 9 junge Menschen am frühen Morgen des 11. August am Osnabrücker Bahnhof ein. Und los ging es über Hamburg nach Sankt Petersburg: Der Flug dauerte etwa 2,5 Stunden. Ebenso lang brauchten wir in St. Petersburg, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einmal quer durch die 5-Millionenstadt zu fahren und zum Caritasgelände zu gelangen. Unterwegs bekamen wir einen ersten Eindruck von den Dimensionen Russlands: Ganze Stadtviertel mit 20-stöckigen Wohnhochhäusern, Metrostationen in Fußballstadion-Format (man nennt sie „Paläste des Volkes“) sowie ein schier endloses Gewimmel von Mensch und Straßenverkehr. Gut, dass drei Personen aus unserer Reisegruppe zuvor bereits ein Jahr in Russland verbracht hatten, und uns sicher durch das Treiben führten.

Das Kania-Haus: Im Angesicht von Mensch zu Metall

Bei Ankunft am Kania-Haus der Caritas wurde dem ein oder anderen Reiseteilnehmer zum ersten Mal das volle Ausmaß seiner leichtfertigen Entscheidung für diese Reise bewusst. Ein schier endloser Metallzaun von mehreren hundert Metern, mit wunderbar geschwungenen Spitzen kunstvoll verziert, umgibt das Caritasgelände. Der Zaun ist etwas in die Jahre gekommen, angerostet und mit hartnäckigem Grünspan belegt, was unsere Aufgabe umso interessanter machte. Am Tag der Ankunft ließen wir uns jedoch kaum beeindrucken und genossen zunächst unbeschwert die Gastfreundschaft in Form eines leckeren russischen Abendessens. (Auch im weiteren Verlauf gab es täglich sehr schmackhaftes russisches Essen in Bauarbeiter-gerechten Mengen, was uns für die Mühen der Arbeit angemessen entschädigte).

Den Zaun renovieren: Echte Handarbeit

Am nächsten Morgen starteten wir mit großer Motivation und trafen Natalia, die Caritasdirektorin, die uns erklärte, wie wir bei der Renovierung des Zaunes vorgehen sollten. Nach dem Abschleifen von abgeplatzter alter Farbe, Grünspan und ähnlichem sollten wir die „Gruntofka“ auftragen (Grundierung) und anschließend den Zaun mit „Kraska“ (Farbe) lackieren. Wir staunten nicht schlecht, als Natalya uns einige nagelneue Drahtbürsten zum Abschleifen in die Hand drückte. Handarbeit? Hunderte Meter lang? Wir begannen mit der Arbeit, doch nach wenigen Metern rebellierte bei den ersten der Kopf: „Wozu wurde die Elektrizität erfunden? Das muss doch einfacher gehen!“

Wir schickten Tobi, unseren Handwerker, und Lisa, die Russischsprachige, los, im Baumarkt geeignetes Werkzeug zu holen. Nach sehr langsam vergehenden, hoffnungslosen Stunden kamen die beiden mit zwei Flexgeräten, Drahtbürstenaufsätzen sowie etwa 200m Kabel wieder. Nach dem Mittagessen probierten wir es damit und siehe da: Die Metallstäbe ließen sich wunderbar maschinell freischleifen. Lediglich die bereits erwähnten kunstvoll verzierten Spitzen mussten wir weiterhin händisch schleifen und streichen, was gelegentlich zu verzweifelter Frustration und unkontrollierten Wutausbrüchen führte.

Der Zaun und seine Bezwinger: Ein ewiges Auf und Ab

Stolz beendeten wir den ersten Arbeitstag und freuten uns über das Tagwerk. Doch die nächsten Hürden sollten nicht lange auf sich warten. In den nächsten Tagen hatten wir mit zu wenig Gruntofka (Grundierung), zu stark eingedickter Gruntofka, in Erde eingegrabenen Zaunteilen sowie durch Sträucher zugewachsenen Zaunteilen zu kämpfen. Doch für alles fand sich eine Lösung, und auch das Wetter war uns gewogen: Kein Regen und angenehme 20 bis 24 Grad, so dass wir gut arbeiten konnten.

Nach und nach wurde uns allerdings klar: Auch bei besten Arbeitsbedingungen ist dieser Zaun einfach zu lang, um ihn in zwei Wochen vollständig zu renovieren. Wenn es gut läuft, schaffen wir ein Viertel bis ein Drittel des gesamten Zaunes – mehr ist beim besten Willen nicht möglich. Wir konzentrieren uns daher auf die schlechteste Ecke und arbeiten uns nach rechts und links vor.

Sankt Petersburg: Viel zu sehen

Nach getaner Arbeit nutzten wir die Zeit, um Sankt Petersburg zu erkunden. Neben den historischen Stätten wie dem glanzvollen Peterhof und der beeindruckenden Kunstsammlung in der Eremitage gibt es auch viel Alltagsleben zu entdecken. Ein Teil der Gruppe fuhr zu einem russischen Flohmarkt, ein anderer Teil besuchte ein etwas heruntergekommenes Hinterhaus, in dem sich Modefirmen, Bars und eine schöne Dachterrasse befinden. Und zwischendurch fuhren wir immer wieder unzählige Strecken mit Bussen, Kleinbussen, Metro und Boot. Mit Hilfe unserer russlanderfahrenen Teilnehmer lernten wir, die kyrillischen Buchstaben zu entziffern, so dass wir uns zunehmend zurechtfanden und nur selten in die falsche Richtung liefen.

FDA & Verbundene: Eine wunderbare Reisegruppe auf dem Weg

Die meisten Teilnehmer unserer Gruppe rekrutieren sich aus dem Kreis ehemaliger FDA’ler („Freiwillige Dienste im Ausland“; junge Menschen, die für ein Jahr im Ausland leben und in einer karitativen Einrichtung mitarbeiten). Nicht nur die Auslandserfahrung, auch die gemeinsame Vor- und Nachbereitung in Form von Seminaren schweißt die meisten FDA’ler zusammen. Dabei gibt es einen besonderen, gemeinsamen „FDA-Spirit“: Lust auf neue Erfahrungen, Neugier auf andere Lebensweisen (sei es im In- oder Ausland), der Wunsch, weniger Privilegierten weiterzuhelfen, und ein Geist der Nächstenliebe prägen diesen Spirit. Und last but not least geht es auch darum, gemeinsam ordentlich Spaß am Leben zu haben. Nach diesen Maßstäben kann man sagen: Auch der Zaunstreich-Einsatz in Russland war erfüllt von diesem Geist und hat uns allen sehr viel Freude bereitet. Sei es beim Zaunstreichen, beim Mittagessen oder beim Feierabendbier: Es gab jede Menge angeregten Austausch zu den wichtigen Themen des Lebens, aber auch lustige Anekdoten und Geschichten, die uns noch lange in Erinnerung bleiben werden.

In Summe können wir sagen: Dies war nicht nur ein freiwilliger Arbeitseinsatz in Russland, verbunden mit der Möglichkeit zu Sightseeing vor Ort. Dies war auch eine Gruppenreise, in der wir zu einer Gruppe zusammengewachsen sind und jede Menge voneinander gelernt haben. Danke für diese Gelegenheit!